Medizin für Dr. Yang
Painting ©reated by Lidia Simeonova
Alice und Alice und Alice, seufzte Dr. Yang, warum bleibt ihr mir nicht endlich vom Leib?
Er fühlte sich ausgebrannt.
Durch dreiundachtzig Filme hatte er sich gestottert, gelächelt und immer das Richtige getan.
Wir hätten da eine Rolle für sie, die Weisheit und ewige Geduld Asiens ...
Sie wissen schon...
Und ob er wusste!
Freiheit ist Gefühl macht Angst, las er im Text und fluchte.
In seinem Kopf verhallte ein spöttischer Singsang: Die Freiheit nehm ich mir... und er wurde aus dem Nichts heraus so wütend, so wutschnaubend, so unbändig, dass er nichts mehr von dem verkörperte, was seine Rollen ihm gemeinhin abverlangten.
Es knallte, krachte, klirrte, stöhnte und ächzte, dass es eine Lust war, ihm zuzuschauen, denn nicht jeden Tag wird man Zeuge eines so gewaltigen Ausbruchs.
Seine Fans hätten ihn hochleben lassen.
Das ist wenigstens noch ein Kerl, hätten Frauen zu ihren Männern gesagt und die hätten sie angebrüllt und geprügelt, ihnen die Wäsche am Leib zerrissen und gestöhnt, sag schon, bin ich so gut wie er?
Ist es das, was du willst?
Alle Protagonisten würden verletzt vom Feld taumeln.
Es tut mir leid wegen gestern Abend...
Dr. Yang stutzte. Der Satz gehörte einer anderen Rolle.
Seltsam, dachte er, ich, der ewig Heilende, der ewig Vorausschauende, ich habe noch nie einen gravierenden Fehler gemacht. Man hat mich nie einen Fehler machen lassen! Mir dreiundachtzig Filme hindurch noch nie eine Chance gegeben, mich zu entschuldigen!
Und während er die Scherben, Holzsplitter und Fetzen auf dem Boden zusammen kehrte, dachte er darüber nach, was er Falsches oder Gemeines tun musste, um sich entschuldigen zu können
Jemanden umzubringen schloss er von vorne herein aus. Aber er könnte jemanden anlügen. Lügen ist nicht schlecht. Angelogen zu werden verletzt immer. Genau. Er würde lügen. Aber was sollte er sagen? Und wen sollte er anlügen. Einen Freund? Eine Freundin?
Er sah ihre Augen vor sich.
Nein, nein, das würde nicht gehen. Es würde ihnen das Herz brechen. Nimm einen Fremden, sagte er zu sich selbst. Du könntest etwas tun und später behaupten, du seist es nicht gewesen. Dann gehst du hin sagst, dass es eine Lüge war und entschuldigst dich.
Genau so wollte Dr. Yang lernen, sich zu entschuldigen.
Die folgenden Tage verbrachte er im Haus.
Eifrig studierte er seine neue Rolle.
Der Himmel wurde türkis und die Luft durchsichtig.
Eine mandarinfarbene Sonne begrüßte den neuen Tag.
Dr. Yang ging hinaus.
Er nahm den Weg durch die Klippen zum Meer hinunter. Dort ließ er bald Kiesel über das Wasser hüpfen und lief mit den Wellen, die leise den Strand säumten, um die Wette.
Auf dem Rückweg begegnete er der Fremden. Sie gingen eine kurze Zeit nebeneinander her. Er fragte. Sie antwortete. Ihre Herzen klopften, wenn sie sich ansahen.
Kommen sie mich besuchen, sagte er und schaute ihr in die Augen. Heute Abend.
Sie kam nicht.
Am nächsten Morgen rief sie ihn an. Er sagte ihr, dass er am Tag zuvor sehr betrunken gewesen sei.
Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich geredet habe, sagte er und sie wurde ganz leise vor Schmerz und sagte nur noch:
ich wollte sie nicht stören, Dr. Yang. Ich wollte sie nicht stören, und legte den Hörer ganz vorsichtig auf, so, als würde sie jeden Augenblick zerspringen.
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